In der Praxis gibt es bei Lautsprechersystemen gewöhnlich bauformbedingt einen Tiefenversatz der akustischen Zentren. Das akustische Zentrum ist der Punkt, von dem scheinbar der gesamte erzeugte Schall ausgeht. Es ist ein virtueller, gedachter Punkt, der sich nur messtechnisch präzise ermitteln lässt. Die Lage des akustischen Zentrums hängt von verschiedenen konstruktiven Bedingungen ab. Zur einfachen Orientierung kann man die Verbindungsstelle der Schwingspule mit der Membran als akustisches Zentrum annehmen. Die Steifigkeit des Schwingspulenträgers, der Membran und deren Geometrie (u.v.m.) spielen auch eine Rolle. (Bei der Accuton Cell-Serie sind die akustischen Zentren ausnahmsweise aufeinander abgestimmt.)
Bei Hochtönern befindet sich das akustische Zentrum relativ weit vorne, bei Tieftönern bis zu mehreren Zentimetern hinter der Vorderkante. Würde man um das Ohr mit einem Zirkel einen Kreisbogen ziehen, müssten alle akustischen Zentren der Lautsprechersysteme auf dem Kreisbogen liegen, um exakt gleich weit vom Mittelpunkt (dem Ohr) entfernt zu sein. Dabei kommt es auf Millimeter an. Ist dies nicht der Fall, dann sind das gleichzeitige Eintreffen der Schallanteile und deren richtige Schallsummenbildung nicht möglich, der Lautsprecher verzerrt die Schallsignale und erzeugt künstliche Geräusche. Die originalgetreue Reproduktion findet nicht mehr statt. Dynamisch zeitrichtig bedeutet, dass der Lautsprecher mit allen Chassis zeit- bzw. phasengleich einschwingt und die Einschwingvorgänge (d.h. die Wiedergabe und Formung von Impulsen) in ihrer Charakteristik weitgehend originalgetreu in Richtung der Zuhörer abstrahlt. Technisch spricht man dabei von einer konstanten Gruppenlaufzeit aller Frequenzen über die gesamte Übertragungsbandbreite, welche sich in einer präzisen Rechteckwiedergabe zeigt.
Die elementare Voraussetzung für die richtige Summenbildung ist der zeitgleiche Start der Schallereignisse. Der Schall des Hochtöners und der Schall der Mitteltieftöner müssen genau zum selben Zeitpunkt beginnen. Bei Drei-Wege Konstruktionen gilt das ebenso für den Tieftöner. Es gilt für Mehrwegesysteme und auch für Ein-Wege-Lautsprecher, bei denen sich auf der Membran bei verschiedenen Frequenzen unterschiedliche akustische Zentren ausbilden. Die Wegstrecke und damit die Laufzeit aller akustischen Zentren zum Hör- / Messort muss zwingend identisch sein, damit die Schallanteile zeitsynchron sind und sich richtig überlagern können.
Wenn wir nah vor einem Lautsprecher hören bzw. messen, ergeben sich bei Drei-Wege Konstruktionen zwingend, bei Zwei-Wege Konstruktionen in empfindlicher Abhängigkeit von der Ohr- / Mikrofonposition, Strecken- und somit Laufzeitdifferenzen zu den einzelnen Systemen. In der Grenzfallbetrachtung haben wir beispielsweise bei einer Mikrofonposition direkt vor dem Hochtöner eine Streckendifferenz in der Größenordnung des Abstands zum akustischen Zentrum des Mitteltöners. Daraus ergibt sich eine für die Summenbildung erhebliche Laufzeitdifferenz. Die Startpunkte liegen dann je nach Abstandsdifferenz zum Mikrofon schon so weit auseinander, dass die Schallanteile von Hoch- und Mitteltieftöner überhaupt nicht mehr übereinander liegen.
Ein weiteres Problem bei kurzen Abständen sind die Winkeländerungen zu den verschiedenen Chassis. In der vorherigen Grenzfallbetrachtung hätten wir 0° zum Hochtöner und nahezu 90° zum Mitteltöner. Der Mitteltöner bündelt bei der Schallabstrahlung mit zunehmender Frequenz. Da passt dann gar nichts mehr zusammen.
Mit zunehmender Distanz des Hörplatzes zum Lautsprecher verringern sich die genannten Probleme glücklicherweise. Das passt zur tatsächlichen Anwendung. Wenn die akustischen Zentren der Chassis konstruktionbedingt unterschiedliche Laufzeiten zum Hör- bzw. Messort ergeben, ist die richtige Summenbildung ausgeschlossen. (Ausnahme: Digital mit Delays)
Die akustischen Zentren der Chassis liegen in etwa dort, wo die Schwingspulen an der Membran befestigt sind.
(Außerhalb des sinnvollen Einsatzbereichs der Chassis entstehen frequenzabhängig mehrere akustische Zentren auf der Membran).
Die Wegstrecken der verschiedenen akustischen Zentren zum Ohr / Mikro müssen exakt gleich sein.
Damit ist die Laufzeit gleich und eine richtige Summenbildung ist unter diesem elementaren Aspekt möglich.
Um einen möglichen Gedankenfehler vorweg zu nehmen: Das alles ist grundsätzlich unabhängig von der Frequenzweichengestaltung.
Und auch digitale Verzögerungen zum Zwecke der Zeitsynchronität der Sprungantworten einzelner Chassis können sich nur auf einen einzigen Messpunkt beziehen. Die Aspekte der Grenzfallbetrachtung gelten auch hier.
Die Übertragungscharakteristik der einzelnen Chassis und die Frequenzweichengestaltung bestimmen ob die Druck-Zeit-Summenbildung ab dem Startpunkt, dem Anfangspunkt des Schallereignisses stimmt.
Das ist dann ein neues, weitaus schwierigeres Kapitel.
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