Filter

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Warum braucht man Filter?

Lautsprecherchassis sind nicht perfekt. Darum müssen jedem Chassis Filter vorgeschaltet werden, die ein unerwünschtes Verhalten korrigieren und das Zusammenspiel mit den anderen Chassis des Lautsprechers optimieren. Beste Frequenzweichen eliminieren in erster Linie detailfressende, Klirr-erzeugende Unsauberkeiten und schützen Chassis vor Betriebszuständen, die zu hohen Verzerrungen führen. Dabei sind verschiedene Vorgehensweisen etabliert.

Die erste Entwicklerfraktion schwört darauf, mit möglichst steiler Begrenzung den Übertragungsbereich auf den mittleren, optimal nutzbaren Übertragungsbereich der Chassis zu begrenzen.
Der Nachteil: Stark verzerrte Einschwingvorgänge ohne die ursprünglichen zeitlichen Bezüge.

Die zweite Entwicklerfraktion schwört auf flache Filter (6 dB / Oktave), weil sich analog theoretisch nur damit zeitrichtige Lautsprecher bauen lassen.
Der Nachteil: Die Chassis werden in Grenzbereichen betrieben und verzerren infolge ihrer Nichtlinearitäten.

Die dritte Entwicklerfraktion verwendet mittelstarke Flankensteilheiten (12 - 18 dB / Oktave) im Sinne eines Kompromisses. Solche Abstimmungen sind die am häufigsten anzutreffenden. Sie sind einigermaßen belastbar, wenig aufwändig, vergleichsweise billig unter Berücksichtigung des Gesamtaufwands bei der Entwicklung und bei der Umsetzung innerhalb der Fertigung.
Der Nachteil: Die Einschwingvorgänge werden auch hier verzerrt und die Chassis werden zumindest anteilig im nichtlinearen Bereich betrieben.

Datei:Myro Whisky Weiche.jpg

Frequenzweiche der Myro Whisky

Die Chassis verabschieden sich normalerweise knapp oberhalb und unterhalb der Trennfrequenz mit 18 dB/Oktave oder 12 dB/Okt. durch den Chassisverlauf plus z.B. Filter 1. Ordnung (6 dB/Okt.). Diese steilen Flanken sind bei analogen Lautsprechern wegen der starken Phasendrehung ein großes Problem in Bezug auf das Ziel des gleichphasigen, synchronen Einschwingens - der Bildung der Original-Schallform. Interferenzprobleme treten dabei in erster Linie durch nichtsymmetrische Chassisanordnung, in Bezug zur gemeinsam abgestrahlten Frequenz zu große Chassisabstände und durch die erwähnten Phasendrehungen auf. Weite Überlappungsbereiche mit linearem Flankenverlauf und minimalen Phasendrehungen sind, sofern man die symmetrische Anordnung und die ausreichend geringen Abstände einhält, hingegen relativ unproblematisch. Die Summenbildung funktioniert dann so gut, dass sich saubere Signalformen in der Summe ergeben. Findet man bezüglich der genannten Faktoren die richtige Mischung, so ist ein für die Wahrnehmung des Hörers im Abhörbereich gutes Abstahlverhalten erreichbar, und zwar ohne auf die richtige Wandlung der Schallsignale verzichten zu müssen.

Messtechnischer Nachweis:
Man verwende ein Oszilloskop und messe ein Chassis mit einem Sinusburst, besser noch mit einer Sinusperiode oder einer Sinushalbwelle. Beim Vorschalten verschiedener Filter sieht man bei gleichbleibendem zeitlichen Ursprung die der Filtersteilheit entsprechende Änderung der zeitlichen Ausdehnung der ersten Halbwelle und die Amplitudenänderungen.

Extreme Flankensteilheiten haben bei der Ankopplung verschiedener spezialisierter Chassis ihre Probleme. Dabei findet ein abrupter Übergang vom Abstrahlverhalten des einen (z.B. Tiefmitteltöner) auf den anderen (z.B. Hochtonkalotte) statt. Das ergibt im Polardiagramm (Frequenzgangbetrachtung) ebenfalls deutliche Einbrüche. Dagegen hilft nur ein Diffusor für den Tiefmitteltöner oder eine bündelnde Schallführung für den Hochtöner, wobei dabei ebenfalls ein Ungleichgewicht zwischen Grundtonbereich und Mittelhochtonbereich entsteht. In der digitalen Anfangseuphorie wurden supersteile Filter angewendet, die aus diesem und anderen Gründen wieder zurückgenommen wurden.
Bei vertikaler Chassisanordnung ergibt sich für das vertikale Abstrahlverhalten ein weiterer Aspekt. Betrachten wir die Schallreproduktion der Einschwingvorgänge, so sind steilflankige Übergänge bei nichtsymmetrischer Chassisanordnung in der Regel sogar symmetrischen Anordnungen mit flacheren Übergängen unterlegen. Jede Anwendung verlangt ein auf die spezifischen Aufstellungsbedingungen ausgerichtetes Abstrahlverhalten. Digital und somit auch mit steilen Filtern lässt sich vieles korrigieren. Aber entspricht die Korrektur der Natur des Fehlers und kann sie außerhalb eines bestimmten Bezugspunktes ebenfalls stimmen?

Beispiel 1:
In Richtung eines bestimmten Bezugspunktes wird das Übertragungsverhalten gemessen und korrigiert. An diesem Bezugspunkt stehen die Laufzeiten der Chassis in einer bestimmten Relation, diese wird an diesem Ort korrigiert. Ändern wir den Bezugspunkt, ergeben sich völlig andere Laufzeitrelationen und die vorgenommenen Korrektur kann da unmöglich ebenfalls stimmen. Damit werden dort die Signalformen, wird der Klang verzerrt.

Beispiel 2:
Lautsprecherchassis haben diverse Resonanzerscheinungen und somit einen ganz bestimmten Klangcharakter. Die Membranresonanzen beispielsweise sind aber nicht unter allen Abstrahlwinkeln gleich, bzw. wirken sich überhaupt aus. Korrigiert man die Membranresonanzen unter einem bestimmten Abstrahlwinkel, also in Bezug auf einen bestimmten Bezugspunkt, so schlägt diese Korrektur unter anderen Winkeln durchaus ins Gegenteil um.

Beispiel 3:
Bei einer steilen Trennung der Chassis wechselt der Klangcharakter, der durch die spezifischen Resonanzen und Nichtlinearitäten der Chassis entsteht, von einer Oktave zur anderen. Es klingt ein Steinway dann so, als wäre er im Bass ein Steinway, in den Mitten ein Bösendorfer o.ä. und in den oberen Oktaven ein Kawai-Flügel o.ä..

Beispiel 4:
Stimmen bei steiler Trennung die Richtcharakteristiken nicht exakt überein, so ergibt sich ein steiler Einbruch im Rundstrahlverhalten.

Datei:Tower.jpg

ESS AMT 1 Tower

Der analoge Allpass

Allpässe sorgen für Phasenverschiebungen, ohne die Amplitude zu ändern. Darum liegt die Vermutung nahe, dass man die akustischen Zentren der Chassis, mit Allpässen beschaltet, elektrisch korrigieren könnte, anstatt sie durch mechanischen Versatz in Übereinstimmung zu bringen. Doch dem ist nicht so. Ein Allpass kann nicht die gesamte Übertragungsbandbreite eines Chassis um eine bestimmte Zeit konstant verzögern. Ein Allpass verschiebt frequenzabhängig Energie. Er weist eine frequenzabhängige Gruppenlaufzeit auf, welche zur frequenzabhängigen Signalverzögerung verwendet werden kann. Da es diese Frequenzabhängigkeit gibt, wird man in der Praxis am realen Lautsprecher mit diesen Folgen konfrontiert. Man muss sich zwangsläufig mit der frequenzabhängigen Wirkweise auseinandersetzen.
Analoge Filter verschieben nicht den zeitlichen Ursprung von Signalen. Daher eilt im Einschwingen diesbezüglich kein Chassis vor oder nach; der Beginn des Einschwingens bleibt unberührt. Es gibt kein analoges Filter, dass den Startpunkt eines Chassis auf der Zeitebene verschieben kann, denn die zeitverschiebende Wirkung analoger Filter setzt erst in der Folge ein. Filterschaltungen üben auf die Signalwandlung erst ab dem Startpunkt des Signals ihre zeitverschiebende, energieverzögernde Wirkung aus. Diese verstärkt sich um das gleichartige Eigenverhalten der Lautsprecherchassis. Der einzige Grund für ein Vor- oder Nacheilen im Einschwingen findet sich in unterschiedlich langen Wegstrecken von den Schallentstehungsorten zum Hörer / Mikrofon. Gruppenlaufzeitauswertungen, die davon abweichende Eindrücke vermitteln, zeigen uns die Problematik der messtechnischen Modelle auf. Die Unveränderbarkeit der Startpunkte kann man mit Oszilloskopmessungen im Einschwingen ganz leicht nachvollziehen.
Mitunter wird ein Trick angewandt: Die Startflanke des Tieftöners wird extrem geneigt, der schnelle Anteil wird so extrem weggefiltert, dass man den Eindruck haben könnte, es läge eine Zeitverschiebung des Startpunktes vor. Der zeitliche Ursprung wird aber nicht wirklich verzögert. Eine Verzögerungsleitung wäre dazu theoretisch in der Lage, die sich jedoch aus klanglichen Gründen verbietet.

Die Digitaltechnik bietet hier erweiterte Möglichkeiten. In digitalen Frequenzweichen lassen sich Werte kurzzeitig zwischenspeichern und nach einer definierten Zeit wieder auslesen. Damit erreicht man den digitalen Gegenpart zur analogen Verzögerungsleitung ohne deren Nebenwirkungen. Duch den Einsatz digitaler Frequenzweichen lässt sich damit die Gehäusekonstruktion tatsächlich vereinfachen.

Wären Aktivlautsprecher besser?

Lautsprecherchassis haben Serienstreuungen - und zwar sehr deutliche, leider auch bei den renommierten Herstellern. Eine sehr gute Signalantwort erhält man nur, wenn (trotz Selektion der Chassis) jeder Lautsprecher einzeln abgestimmt wird. Nicht selten muss man dabei das Schaltungslayout ändern. Bei passiven Lautsprechern kann man das problemlos tun. Bei aktiven Lautsprechern aber, wo entsprechende EU-Richtlinien (EMV) greifen, mit Prüfungen und Konformitätserklärungen, würden die Herstellungskosten und der Aufwand wegen des bürokratischen Aufwands explodieren. Eine so penible Arbeit, wie Myro sie macht, ist passiv leichter machbar. Und es so zu tun bestimmt aller Erfahrung nach viel mehr das klangliche Resultat. Richtig gut abgestimmte passive Filter, unter Berücksichtigung des Chassisverhaltens über dessen zeitlichen Verlauf, führen zu einer Gesamtlast für den Verstärker, die bezüglich Impedanz und elektrischer Phase (über dessen zeitlichen Verlauf) gutmütiger sein kann als ein einzelnes Chassis am Verstärkerausgang. Wenn man im Bass mit sogenannten Null-Ohm-Spulen operiert, verliert man auch kaum etwas an Dämpfung. Manch schlecht sitzende oder oxidierte Steckverbindung oder eine schlechte Lötstelle hat einen höheren Innenwiderstand. Die Endstufe kann man auch direkt an die Lautsprecher stellen, damit es keine langen Kabelwege gibt. (Kupferfolien-Null-Ohm-Spule + Endstufe direkt an der Box = super Dämpfung)
Außerdem ist die Güte des Basslautsprechers und dessen Einbausituation genauso entscheidend. Die großzügig dimensionierte elektrische / thermische Belastbarkeit der Weichenbauteile vertreibt auch hier die Sorgen. Das Argument der Endstufenqualität ist auch zu bedenken. Man sollte ungern darauf verzichten, z.B. die Myro Whisky oder die Myro Ocean an einem sehr guten Verstärker wie den Audionet Max zu betreiben. Bei den vorgegebenen Verstärkern in einer Aktivbox ist man aber festgelegt und limitiert. Niemand baut in eine Drei-Wege-Aktivbox Endstufen eines solchen Kalibers ein. Das würde den Grundpreis ins Abseits treiben. Den großen Unterschied gibt es nicht im Konzept - Aktiv / Passiv / Analog / Digital - sondern in der Genauigkeit der Wandlung. Fehler dabei führen zu viel größeren Klangverzerrungen als die prinzipiellen Unterschiede der genannten Konzepte.

Können digitale Filter alles besser?

Digitale Filter können zwar einige Probleme lösen, sind aber analogen Filtern nicht in allen Punkten überlegen. Mit ihnen kann man zum Beispiel die akustischen Zentren der Chassis korrigieren, ohne dass eine schräge Schallwand erforderlich wäre. Auch können steilflankige Filter ohne starke Phasendrehungen generiert werden. Damit wird die Auswahl geeigneter Chassis erleichtert.
Für die Abstimmung eines digitalen Filters, z.B. eines FIR-Filters, ist es aber ebenso erforderlich, einen Ort zu definieren, auf den sich alle Maßnahmen beziehen: einen definierten Abstand, einen definierten Winkel. Linearisiert man nun die Schallantwort eines Lautsprechers an diesem Ort, so fällt dieses Konstrukt, beispielweise unter einem vertikalen Winkel, bei vertikaler Chassisanordnung in sich zusammen. Und zwar genau so bei steilflankigen Filtern. Interferenzen gibt es nicht nur bei der Überlagerung von eingeschwungenen Tönen, sondern auch bei Impulsen und Einschwingvorgängen aller Art. Unter einem vertikalen Winkel bei vertikaler Chassisanordnung sind die Schalllaufzeiten der unterschiedlichen Chassis zum Erfassungspunkt ungleich. Damit ist die Reproduktion eines Impulses / Einschwingvorganges nicht mehr möglich. Der elektroakustische Wandler wandelt falsch!

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